Kreis Bergstraße (kb). „Was bedeutet ‚Nachhaltigkeit‘ für einen Landkreis?“ Mit dieser Frage eröffnete Landrat Christian Engelhardt vor wenigen Tagen die konstituierende Sitzung des Nachhaltigkeitsbeirats des Kreises Bergstraße – und gab darauf auch eine Antwort: „Für mich heißt Nachhaltigkeit, dass wir den natürlichen Reichtum unserer Region auch für die Zukunft erhalten. Wir müssen heute so handeln, dass wir den Generationen der Zukunft gute Lebensbedingungen hinterlassen.“ Doch das sei, so Engelhardt, nur eine mögliche Definition für Nachhaltigkeit im Kreis Bergstraße.
Um die vielfältigen Aspekte von Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, hat der Bergsträßer Landrat deshalb unterschiedliche Interessensvertreter eingeladen, im neuen Nachhaltigkeitsbeirat des Kreises mitzuwirken. Neben Umweltschutzverbänden wie BUND und NABU Hessen und Politik waren so auch Vertreter der Wirtschaft (unter anderem IHK Darmstadt und Kreishandwerkerschaft), Energieversorgung, Forst und Landwirtschaft, Tourismus, Entsorgung und Stiftungen eingeladen. Auch Vertreter der im Kreis ausgezeichneten Umweltschulen sitzen mit am Tisch. „Bildung spielt eine herausgehobene Rolle, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht“, erklärte Engelhardt die Rolle der Schulen im Nachhaltigkeitsbeirat. „Wenn wir nachhaltig handeln wollen, müssen wir unseren Blick mehr als bislang für langfristige Planungen und Projekte öffnen. Wir sind leider zu oft im heute und jetzt verankert. Unser Planungshorizont darf aber nicht mit dem Ablauf eines Haushaltsjahres oder einer Legislaturperiode enden. Das gilt für Politiker wie auch die Bürgerinnen und Bürger als Wähler.“ Aus Sicht Engelhardt erfordert dies ein Umdenken auf allen Ebenen: „Wir versuchen das zum Beispiel im Schulbau mit unserem neuen Schulentwicklungsplan gerade vorzuleben.“
Schwierigkeiten sind dabei vorprogrammiert: Viel Transparenz, gründliche Planung und das Einbeziehen aller betroffenen Akteure kosten auch Zeit. „Mit unserer Planungsphase 0 wollen wir einen nachhaltigen, an der Pädagogik orientierten Schulbau realisieren. Dafür investieren wir einige Monate bis ein Jahr zusätzliche Planungszeit“, erklärt Engelhardt. Aber nicht jeder habe Verständnis dafür, dass er bei Maßnahmen des Kreises so viele Akteure aufwändig beteilige. Engelhardt versteht, warum eine schnelle Lösung attraktiv wirkt: „Das heißt im Umkehrschluss, dass ich mich mit meinem Wissen und meiner Zeit für ein Projekt engagiere, von dem ich selbst, ob als Schüler, Lehrer, Eltern oder auch als Politiker, am Ende gar nicht mehr selbst von profitiere. Gerade Politikern fällt das unter Umständen schwer, denn viele wollen die Früchte ihrer Arbeit ja auch noch in ihrer laufenden Amtszeit ernten.“ Trotzdem ist Engelhardt von seinem Konzept überzeugt: „Wir bekommen dadurch viel bessere Schulen, in denen der Schulbau mit dem pädagogischen Konzept der Schule Hand in Hand geht.“ Zudem sei die Baumaßnahme am Ende oft schneller, weil es weniger Anpassungen während des Baus gäbe, wenn man anfangs für bessere Einbindung sorge.
Den gleichen Ansatz verfolgt Engelhardt mit dem Bergsträßer Nachhaltigkeitsbeirat. „Nachhaltigkeit darf nicht heißen: Alle Maschinen Stopp! Das wäre weder für unsere Region noch unser Land gut. Und würde andere auch nicht zum Nachahmen einladen“, ist er überzeugt. Er sieht vielmehr den Weg darin, die richtige Schnittmenge aus sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit zu erreichen. Und das funktioniere nur, so der Landrat, wenn zwischen denen, die ein unterschiedliches Verständnis von Nachhaltigkeit haben, auch ein Dialog stattfinde.
„Unser Nachhaltigkeitsbeirat soll dafür die Plattform bieten“, erklärt Engelhardt. Der Beirat habe die Aufgabe, die Entwicklungstendenzen für den Kreis mit Blick auf Umweltthemen und Fragen einer nachhaltigen Entwicklung unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten unter Einbeziehung der Hessischen Nachhaltigkeitsstrategie ab- und einschätzen. Außerdem soll der Beirat die Aufstellung des Klimaschutzkonzeptes des Kreises begleiten und Empfehlungen aussprechen, Vernetzungsaktivitäten wie mit dem im April 2019 gegründeten „Hessische Bündnis für Nachhaltigkeit“ entfalten und entsprechende Initiativen und Maßnahmen des Kreises begleiten.
„Das wird keine leichte Aufgabe!“, rief Engelhardt dabei den rund vierzig Anwesenden im Naturschutzzentrum des Kreises Bergstraße zu, die seiner Einladung zur konstituierenden Sitzung gefolgt waren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen sich jedoch engagiert der Aufgabe an. Im regen Austausch sammelten die Beiratsmitglieder Ideen und Vorschläge sowie Infos zu bereits bestehenden Projekten, wie sich die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN im Kreis Bergstraße verwirklichen lassen könnten. „Da ist soviel Input entstanden“, stellte Christian Engelhardt gegen Ende der konstituierenden Beiratssitzung begeistert fest, „damit werden wir uns jetzt intensiv beschäftigen.“
Der Nachhaltigkeitsbeirat ist Teil des vom Kreistag des Kreises Bergstraße im September 2019 beschlossenen Maßnahmenkatalogs für Klimaschutz im Kreis Bergstraße. Im Frühsommer 2020 soll es weitergehen mit der nächsten Sitzung. Dann wird auch der Kreis der Beiratsmitglieder eventuell noch einmal erweitert – die Anwesenden der konstituierenden Sitzung konnten hierzu Vorschläge machen.
Im Herbst wird eine Nachhaltigkeitskonferenz unter breiter Einbindung weiterer Akteure stattfinden, welche auch wesentliche Impulse für das Klimaschutzkonzept des Kreises Bergstraße liefern soll.
Die Ergebnisse der aktuellen Sitzung können Interessierte auf der Webseite des Kreises unter www.vision.kreis-bergstrasse.de einsehen.