Kreis Bergstraße (kb). Der Deutsche Landkreistag (DLT) fordert den Bund auf, „sehr zügig“ auf die Inzidenz als alleinigen Maßstab bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu verzichten. Als Grund nennt DLT-Präsident Reinhard Sager die aktuelle Impfentwicklung. „Die Inzidenz der Ansteckungen mag im vergangenen Jahr, als noch kein Impfstoff gegen das Virus verfügbar war, ein sinnvoller Indikator gewesen sein, um das Risiko einer Überlastung des Gesundheitssystems zu messen. Bei der aktuellen Impfentwicklung ist er das nur noch bedingt“, so Sager in einer Pressemitteilung des DLT.
Landrat Christian Engelhardt unterstützt diese Forderung voll und ganz: „Die Gesetzgebung sollte sich nicht allein auf die Inzidenz stützen. Rund 130.000 Menschen im Kreis Bergstraße sind schon vollständig geimpft. Weitere mehr als 20.000 Personen haben bereits die Erstimpfung. Das muss bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden.“ Dass die Inzidenz als alleiniger Faktor nicht ausreicht, zeigen auch die Infektionszahlen. So ist der Inzidenzverlauf über die Sommerferien im Kreis Bergstraße vergleichbar mit der Inzidenzkurve des Vorjahres – trotz Impfungen. „Das zeigt, dass die Inzidenz allein zu wenig Aussagekraft besitzt“, sagt dazu Engelhardt. „Vielmehr geht es darum, alle Maßnahmen und ihre Folgen sinnvoll abzuwägen. Dafür muss man aber auch auf die Belegung von Intensivbetten und andere Faktoren wie den Anteil schwerer Krankheitsverläufe und Todesfälle schauen.“ Diese waren mit zunehmendem Impferfolg deutlich zurückgegangen.
„Wir können nicht einfach mehr sagen, wenn die Inzidenz den Wert X überschreitet, machen wir alles dicht. Die Leidtragenden eines solchen Handelns wären nämlich vor allem wieder die Kinder und Jugendlichen, die in dieser Pandemie bereits viele Opfer – die Einschränkung sozialer Kontakte und der Bildungsausfall – hinnehmen mussten. Das müssen wir möglichst vermeiden!“, findet Engelhardt. Der Bergsträßer Landrat plädiert deshalb erneut für ein differenziertes Messsystem, das auch andere Faktoren berücksichtigt. Bereits im Frühjahr 2021 hatte Engelhardt die zu starke Fokussierung auf die Inzidenz als Maßstab kritisiert. Der Kreis Bergstraße hatte deshalb die regionalen Corona-Maßnahmen, die damals noch in die Zuständigkeit des Kreises fielen, immer unter Berücksichtigung mehrerer Kriterien festgelegt. Dazu gehörte auch eine differenzierte Betrachtungsweise, in welchem Maß besonders gefährdete Risikogruppen wie beispielsweise Hochbetagte am Infektionsgeschehen beteiligt sind.
„Schon im Februar war infolge der erfolgreichen Impfung dieser Risikogruppe der Anteil der Hochbetagten deutlich gesunken. Aktuell liegt der Wert für die Altersgruppe über 70 Jahren bei knapp unter 5 Prozent“, sagte dazu Gesundheitsdezernentin Diana Stolz.
Der DLT fordert, neben der Impfquote auch die Zahl der aktuell in den Krankhäusern und auf den Intensivstationen behandelten Patienten einzubeziehen. Landrat Christian Engelhardt und Gesundheitsdezernentin Diana Stolz sehen dies auch so. Darüber hinaus, so Engelhardt und Stolz, sei aber auch der Blick auf das lokale Infektionsgeschehen wichtig. „Um mal ein praktisches Beispiel zu nehmen: Wenn es im Neckartal in einem Betrieb und dessen Umfeld viele Fälle gibt, ist es nicht unbedingt die richtige Reaktion, in Zwingenberg die Schulen oder Restaurants zu schließen“, sagte Engelhardt. "Für uns ist es daher seit Beginn der Pandemie wichtig, das Infektionsgeschehen im Detail im Blick zu haben“, ergänzte Stolz.
Der Bergsträßer Landrat befürwortet deshalb auch, wieder mehr Kompetenzen auf die regionale Ebene der Kreise und kreisfreien Städte zu verlagern. „Hessen ist hier ja auch in der Vergangenheit bereits oft einen sehr guten Weg gegangen. Ich würde mir wünschen, dass auch künftig wieder mehr Kompetenzen an die Kreise zurückgegeben werden.“